Während die weiblichen ArchitekturstudentInnen schon fast die Hälfte auf den österreichischen Universitäten ausmachen, sind Frauen in der Lehre der Architektur und im Berufsstand der ArchitektInnen unterrepräsentiert. Margarete und ihre Schwestern – Heldinnen der Architektur begibt sich auf die Suche nach den ersten Role-Models der Architektinnenschaft: Ein Wandermöbel, das Ausstellung und Speaker‘s Corner zugleich ist lässt sich auf den Vorplätzen der Architekturuniversitäten Wiens nieder. Die aktionistische Ausstellung thematisiert die Unterrepräsentation von Architektinnen in der Lehre und als Lehrinhalt. Sie nimmt eine kritische Haltung zur institutionalisierten Bildung ein und zeigt ausserdem mögliche strukturelle und gesellschaftliche Mechanismen, die einer Sichtbarkeit von Frauen in der Architektur entgegenstehen.
Die Wanderausstellung ist im Rahmen des „Margarete Schütte-Lihotzky Projektstipendiums“ des Bundeskanzleramtes entstanden. Sie „besucht“ die drei Architekturuniversitäten Wiens und setzt sich selbstbewusst auf die Vorplätze der geschichtsträchtigen Institutionen. Auf dem Ausstellungsobjekt affichiert sind textlich und graphisch aufgearbeitete Inhalte, die der Frage nach dem Frauenanteil an den Architekturuniversitäten und den Rollenbildern der Architektinnen im Berufsfeld nachgehen. Die Wanderausstellung will in direkten Dialog mit PassantInnen, StudentInnen und Lehrenden treten, Interaktion möglich machen und mittels aktionistischer Elemente verstärken. Das Megaphon als Gegenstand aus Protestzusammenhängen kann von den BesucherInnen dazu verwendet werden, eigene Statements oder vom Ausstellungsmöbel abgelesene Statements der Öffentlichkeit kund zu tun. Das Konzept nimmt die Praxis des Speaker‘s Corner auf. Die durch die Megaphone gesprochenen und abgelesenen Texte erschaffen eine analoge „Karaoke-Protestform“. Die Steigerung dieser Form durch Überlagerung der Texte und durch Rede- und Gegenrede kann durch mehrere AkteurInnen performativ erprobt werden.
Die Ausstellungsskulptur vermittelt (zeit)geschichtliche Information in Form eines Zeitstrahls zur Frauenbewegungsgeschichte und zu den wichtigsten Meilensteinen und Errungenschaften von Frauen im Feld der Architektur. Metall-Rollen, die auf der Skulptur angebracht sind, verweisen auf die Gegenwart und die Erzähldimension des Kunstprojekts. Sie geben Auszüge aus den Interviews wieder, die anlässlich des Projekts ‚Margarete und ihre Schwestern’ mit zeitkritischen Architektinnen und Theoretikerinnen geführt wurden und stellen aktuelle Bezüge zum Thema her.
Die renommierte Architektin Margarete Schütte-Lihotzky, Namensgeberin des Projektes, war 1919 die erste Absolventin im Fach Architektur in Österreich und wird zu Recht als eine der bekanntesten ArchitektInnen weltweit gehandelt. Jedoch lässt es sich vermuten, dass sie nicht die Einzige ihrer Zeit war. Das Kunst- und Rechercheprojekt macht sich auf die Suche nach Wegbereiterinnen und -gefährtinnen und porträtiert eine (unabgeschlossene) Anzahl an Architektinnen dieser Zeit aus dem deutsch- und englischsprachigen Raum. Die zwanzig biographischen Kurzportraits der „sozialen Reformerinnen“, visionären Stadtplanerinnen, herausragenden Architektinnen und brillanten Theoretikerinnen geben mittels Schlagwortliste und Zitatsammlung Einblicke in deren Leben und Werk.
Die Eckdaten der portraitierten Architektinnen sind auf dem Ausstellungsmöbel zeitlich verortet und eingebettet in den „Zeitstrahl der Meilensteine“ und in Relation gesetzt mit dem parallel verlaufenden Zeitstrahl zu frauenbewegten Errungenschaften im Kontext universitärer Bildung und politischer Mitbestimmung. Die individuellen Erfolge werden so zu einer „Geschichte der Vielen“ verbunden mit den Kämpfen für die Gleichstellung von Frauen in unterschiedlichen Kontexten und durch die Zeit.
Die Ausstellungsarchitektur ist aus einem System von Dreiecken konzipiert. Es ist als modulares System gedacht, dass sich beliebig ergänzen und erweitern lässt. Die Sammlung der zwanzig Architektinnenbiografien im Rahmen dieses Projekts ist exemplarisch und daher unvollständig. Eine Erweiterung ist erwünscht. Die offene Form der Ausstellungsarchitektur soll dies sichtbar halten.